Vortragsreihe des Instituts für Geologie und Paläontologie
Zum Internationalen Jahr des Korallenriffs 1997 hat das Geologisch-Paläontologische Institut der Universität Tübingen eine Vorlesungsreihe zusammengestellt. Die Vorträge international bekannter Riff-Biologen und -Geologen werden durch eine Ausstellung im Geologisch-Paläontologischen Museum ergänzt. Auch für einige Arbeitsgruppen in Tübingen sind die tropischen Ökosysteme unter der Meeresoberfläche reizvolle Forschungsobjekte.
Korallenriffe finden sich an den Küsten von über einhundert tropischen Ländern. Sie werden bis zu zwei Kilometer hoch und bis zu dreitausend Kilometer lang. Um so erstaunlicher ist es, daß die gigantischen Bauwerke der Natur von winzigen Lebewesen aufgebaut werden. Die nur wenige Millimeter messenden Polypen sitzen an der Oberfläche des Riffs und scheiden mit Hilfe von Photosynthese treibenden Algen in ihren Geweben jedes Jahr bis zu einigen Zentimetern Kalk ab. Die Polypen sind in einer riesigen Kolonie untereinander verbunden und bilden sogenannte Steinkorallen. Über lange Zeiträume entsteht durch die ständigen Kalkablagerungen ein Riff. Die Korallenriffe beherbergen eine fast unüberschaubare Vielfalt an Meerestieren, die den Artenreichtum im freien Ozean weit übertrifft. Bis zu dreitausend Arten können in einem einzigen Riff vorkommen. Die Korallenriffe gehören damit zu den komplexesten Ökosystemen der Erde, auch wenn sie unter der Meeresoberfläche verborgen liegen.
Die Korallen-Polypen können nur unter bestimmten Lebensbedingungen existieren: Sie brauchen flaches, warmes , klares und nährstoffarmes Meerwasser. Sie werden nicht so sehr von natürlichen Umwelteinflüssen wie etwa Stürmen bedroht, sondern vor allem von den Menschen, die das ökologische Gleichgewicht empfindlich stören. Durch Rodungen und Landwirtschaft an den Küsten wird Dünger ins Meer getragen und das Wasser getrübt. Besonders in Drittweltländern sind die Riffregionen häufig überfischt und viele Riffe leiden unter dem starken Tourismus. Nach den Schätzungen von Wissenschaftlern einer internationalen Tagung in Miami/Florida 1993 sind bereits zehn Prozent der Korallenriffe ernsthaft geschädigt oder zerstört.
Das "Internationale Jahr des Korallenriffs 1997 (IJR)" soll daher mit gezielten Informationen und Förderung der Riff-Forschung die Zerstörung eindämmen helfen. In das Projekt sind über fünfzig Nationen eingebunden. IJR orientiert sich dabei an den Zielen der International Coral Reef Initiative (ICRI), einem Zusammenschluß von Ländern und Organisationen, die internationale Konventionen und Abmachungen zum Schutz von Korallenriffen und ähnlichen Ökosystemen umsetzen wollen. Außerdem soll die Zusammenarbeit verschiedener Organisationen koordiniert und die Programme aufeinander abgestimmt werden.
Fern von tropischen Küsten gibt es auch in Tübingen einige Arbeitsgruppen am Geologisch-Paläontologischen Institut, die sich mit Korallenriffen beschäftigen. Gleich mehrere Projekte dienen der Erforschung fossiler Riffe aus dem Devon und Tertiär, deren Entstehung rund 400 Millionen Jahre beziehungsweise 65 bis zwei Millionen Jahre zurückliegt. Einige davon finden sich im Rheinischen Schiefergebirge oder dem Harz oder zumindest in Europa, in Österreich, Italien oder Polen. Andere Forschungsobjekte liegen dagegen weit entfernt vor den afrikanischen Küsten in Marokko, Algerien und Ägypten. Die Untersuchungen an den Kalksteinkörpern von Korallenriffen sind nicht nur für die Grundlagenforschung interessant, sondern auch für die Erdöl-Industrie. Denn etwa vierzig Prozent der weltweiten Erdölvorkommen sind in Riff-Kalksteinen gespeichert.
Mit der Methode der Sklerochronologie wollen Tübinger Geologen die Klimaentwicklung während der Riffbildung an Korallenriffen im mittelamerikanischen Belize ablesen. Dazu werden bei Bohrungen Proben aus den Kalkablagerungen der Riffe geholt und die Dicke und Zusammensetzung des Kalkes bestimmt. Ähnlich wie bei den Jahresringen des Baumholzes lassen sich dadurch Rückschlüsse auf die früheren Lebensbedingungen ziehen. An einem Riff in Belize läßt sich jedoch auch die Entstehung moderner Riffe studieren, die heute noch wachsen. In Zusammenarbeit mit der University of Miami wird außerdem der Zustand von Riffen in Südflorida untersucht.
Das Programm der Vorlesungsreihe des Instituts für Geologie und Paläontologie zum Internationalen Jahr des Korallenriffs 1997 liegt bei.
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